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Die Systematik der Anspruchsgrundlagen im Zivilrecht

Die nachfolgend systematisierte Reihenfolge der Anspruchsgrundlagen ist zwingend.1 Wird sie nicht eingehalten, können wichtige Ansprüche bei der Prüfung vergessen werden. Das wäre schlecht, denn Ansprüche, d. h. das Recht von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (§ 194 I BGB), kann man nie genug haben.

Anspruchsebene Erläuterung und Beispiel
Vertragliche Ansprüche, Anknüpfungspunkt: Kraft Willens der Beteiligten begründete Sonderverbindung i. S. d. § 241 Abs. 1 S. 1 BGB Vertragliche Primäransprüche, z. B. § 433 Abs. 1 S. 1 BGB: Hier kann der Gläubiger vom Schuldner die Leistung direkt aus dem Vertragsverhältnis verlangen.
Vertragliche Sekundäransprüche, z. B. § 280 Abs. 1 BGB: Hier kann der Gläubiger vom Schuldner die Leistung anlässlich Leistungsstörungen verlangen.
Vertragliche Tertiäransprüche, z. B. § 285 BGB: Hier kann der Gläubiger vom Schuldner einen Anspruch auf ein Surrogat geltend machen, bspw. Schadensersatzansprüche gegen einen Unfallbeteiligten mit anschließender Abtretung an die Haftpflichtversicherung
Quasivertragliche Ansprüche, Anknüpfungspunkt: Näheverhältnis und Ähnlichkeit zu den vertraglichen Ansprüchen Betroffen sind meist die nachfolgenden Fallgruppen: Schadensersatz nach Irrtumsanfechtung, § 122 BGB
Vertretung ohne Vertretungsmacht, § 179 BGB;
culpa in contrahendo (c. i. c.), §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB: Betrifft den Umstand, dass schon ein vorvertragliches Verhältnis mit Rechten und Pflichten der Beteiligten zueinander geknüpft worden ist. Bsp.: „Salatblatt-Fall“
Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 677 ff. BGB
Dingliche Ansprüche, Anknüpfungspunkt: Eigentum und Besitz als absolute Rechte Primäransprüche, z. B. §§ 985, 861 BGB, hier folgt der Herausgabeanspruch direkt aus der absoluten Rechtsstellung des Anspruchsstellers, z. B. „Eigentümer“, „Besitzer“
Sekundäransprüche, z. B. Eigentümer-Besitzer-Verhältnis gem. §§ 987 ff. BGB. Die Normen begründen ein spezielles gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Eigentümer und Besitzer. Die Normen sind Spezialregeln und haben ggü. anderen Anspruchsgrundlagen Sperrwirkung. Sie kommen in Betracht, wenn es Störungen bei den dinglichen Primäransprüchen gibt, bspw. wenn der Besitzer die Sache nicht mehr herausgeben kann, weil er sie verarbeitet hat.
Deliktische Ansprüche, Anknüpfungspunkt: unerlaubte Handlung (und Schädigung) Grundsatz: Verschuldenshaftung gem. d. §§ 823 ff. BGB. Anknüpfungspunkt ist immer, dass die rechtsgutsschädigende Handlung schuldhaft begangen worden ist
Gefährdungshaftung und Haftung für vermutetes Verschulden gem. d. §§ 833 S. 1 BGB, 7, 18 StVG: Hier ist der Anknüpfungspunkt für die verschuldensunabhängige Haftung, dass der Schuldner mit seiner Tätigkeit eine Gefahr veranlasst und diese auch zu beherrschen hat. Der Wegfall des Verschuldens bei diesen Anspruchsgrundlagen ist quasi der Preis für das erlaubte Risiko.
Bereicherungsrechtliche Ansprüche, Anknüpfungspunkt: Abschöpfungsfunktion, da jemand ohne Rechtsgrund, d. h. weder vertraglich, quasivertraglich noch dinglich, bereichert ist Leistungskondiktionen gem. z. B. der §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Abs. 1 S. 2 Alt. 1 und 2 BGB
Nichtleistungskonditkionen, z. B. gem. § 816 Abs. 1 BGB (speziell) oder § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB (allgemein)
  • 1. Sie folgt der Systematisierung von Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 24. Aufl. (2013), Inhaltsübersicht
Literaturverzeichnis
Zitierte Literatur: 

Medicus, Dieter / Petersen, Jens, Bürgerliches Recht - Eine nach Anspruchsgrundlagen geordnete Darstellung zur Examensvorbereitung, 23. Auflage (2013), Verlag Franz Vahlen.